Pflegekinder sind…

Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht werden, sind meist jüngere Kinder im Alter zwischen 0 und 7 Jahren, vereinzelt werden aber auch Pflegefamilien für ältere Kinder gesucht. Alle Kinder haben das gleiche Schicksal erlebt – die Trennung von ihren leiblichen Eltern und somit einen Bindungsabbruch. Es ist nicht selten, dass Kinder, die in einer Pflegefamilie leben andere Verhaltensmuster zeigen, als Kinder die von Geburt an in ein und derselben Familie heranwachsen und dort verbleiben.

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Durch die Erfahrungen, die die Kinder vorher in der Familie gemacht haben, können altersuntypische Verhaltensweisen bei ihnen auftreten. Es passiert, dass sich Eltern durch ungünstige Lebensumstände und Situationen (wie z.B. Arbeitslosigkeit, Suchtproblematiken, Scheidung oder psychische / körperliche Erkrankungen) nicht mehr ausreichend um die Bedürfnisse ihres Kindes kümmern können. Entsprechend des individuellen Bedarfes des Kindes sucht der Pflegekinderdienst eine geeignete Pflegefamilie. Die Unterbringung in einer Pflegefamilie kann entweder für einen bestimmten Zeitraum oder langfristig erfolgen. Gelingt es den Eltern, in einem festgelegten Zeitraum ihre Lebensumstände zu verbessern, sodass sie ihr Kind wieder versorgen können, ist eine Rückführung möglich. Die Pflegeeltern sollten sich darüber bewusst sein, dass sie nicht nur das Kind, sondern auch den dazugehörigen großen „Rucksack“, vollgepackt mit Erfahrungen und Eindrücken, bei sich zu Hause aufnehmen. Zwischen den schönen Erlebnissen und Erfahrungen, mit denen der Rucksack gefüllt sein kann, befinden sich eben meist auch Erfahrungen, die das Kind verängstigen, traurig stimmen und verschrecken.

Wir suchen daher Menschen mit Ausdauer und Energie sowie pädagogischem Geschick und Einfühlungsvermögen, die einem Kind ein Zuhause (auf Zeit) geben möchten. Pflegekinder wünschen sich Sicherheit, Geborgenheit, Zuversicht, Verständnis, Freiheit, Angebote und Liebe, um zu selbstständigen und starken Persönlichkeiten heranzuwachsen.

Für Kinder mit besonderen Bedarfen existiert im Gemeinsamen Pflegekinderdienst ein „Bedarfsstufenmodell“. Damit können zusätzlich zu dem Pflege- und Erziehungsgeld Mehrkosten, die durch z.B. eine besondere Förderung des Pflegekindes entstehen könnten, übernommen werden.

Zusätzlich können Sie durch eine regelmäßige Teilnahme an Supervisionssitzungen, Seminaren und sonstigen Weiterbildungen Punkte sammeln, die Ihnen am Ende des Jahres als „Guthaben“ gutgeschrieben werden.

Damit Sie sich als Pflegeeltern gut für die Aufnahme eines Pflegekindes vorbereitet fühlen, wird eine Pflegeelternschulung angeboten. Diese findet i.d.R. ein- bis zweimal im Jahr statt und erstreckt sich über 10 Schulungseinheiten. Die Schulung ist Grundvoraussetzung, wenn Sie sich als Pflegeeltern bewerben. Nähere Informationen diesbezüglich finden sie unter der Rubrik „Pflegeeltern werden“.

Berichte von Pflegekindern

Nino; Pflegesohn, 15 Jahre

„Als ich im Heim war, wollte ich unbedingt in eine Pflegefamilie, dabei wusste ich gar nicht genau, was das bedeutet. Wichtig war nur, dass ich aus dem Heim kam. Es gab dort unendlich viele Regeln und man bekam für alles Punkte. Pünktlichkeit, Zähne putzen, Hausschuhe anziehen […] In der Pflegefamilie ist es tausend Mal besser. Natürlich gehen mir hier auch manche Regeln auf den Geist, zum Beispiel, dass ich um zehn Uhr zu Hause sein muss.

Pflegeeltern sollten sich für die Kinder interessieren. Sie sollten bereit sein, auch mal Schwierigkeiten durchzustehen und nicht gleich aufzugeben und das Kind wieder wegzugeben.

Ich finde es wichtig, dass die Pflegeeltern dem Kind den Umgang mit seinen Eltern erlauben. Sie sollten die Eltern ihres Pflegekindes auch selbst kennenlernen. Sie sollten die Eltern achten und nicht schlecht über sie reden, sie haben schließlich eine wichtige Rolle im Leben des Kindes gespielt, selbst wenn es eine negative war. Pflegeeltern sollten mit den Kindern über die Vergangenheit reden. […]

Pflegeeltern sollten von den Pflegekindern erstmal nichts erwarten. Das Kind weiß ja gar nicht, wie es sich verhalten soll, und hat Angst, dass es wieder weggegeben wird, wenn es den Erwartungen nicht entspricht. Pflegeeltern müssen auch eine starke Persönlichkeit und Selbstbewusstsein haben. Sie dürfen nicht mit sich spielen lassen, sondern sollten ein Vorbild sein. Pflegeeltern sollen ihren Kindern das bieten, was andere Kinder von ihren leiblichen Eltern bekommen […].

Ein Unterschied zwischen den Pflegekindern und den leiblichen Kindern habe ich in der Familie nie gespürt […].“(Stead Miriam und Nathanael (2016): Abenteuer Pflegekind. Ratgeber für Pflegeeltern und solche, die es werden wollen; Langenlonsheim; S. 139-140)

Nancy; leibliche Tochter, 17 Jahre

„Es hat Vor-und Nachteile, mit Pflegegeschwistern aufzuwachsen. Als Jan in die Familie kam, war es etwas Besonderes, wir waren neugierig und wollten ihn unbedingt sehen. Als Tom kam, haben wir sogar ein Willkommensvideo gedreht. Als ich kleiner war, waren die Pflegekinder für mich einfach Geschwister, jetzt wo ich älter bin, hat sich das etwas verändert, es sind Menschen, die unserer Familie leben. Einer der größten Vorteile einer großen Familie liegt darin, dass immer jemand da ist, mit dem man etwas unternehmen kann. Gestern haben wir uns z.B. spontan entschieden, Fußball zu spielen, das würde mit wenigen Geschwistern nicht funktionieren.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Pflegegeschwistern. Tom stehe ich z.B. sehr nahe und rede über alles mit ihm. Nino ist eher ein Entertainer im Haus und Jan ist eben Jan, er hat Probleme, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Aber das akzeptiere ich absolut, er hat eben eine schwierige Vergangenheit. Auch zu meinen leiblichen Geschwistern habe ich unterschiedliche enge Beziehungen […].

Wir haben uns nie benachteiligt gefühlt, weil wir mit mehreren Geschwistern teilen mussten. Ich habe nie das Gefühl gehabt, auf etwas verzichten zu müssen […]

Das Zusammenleben mit den Pflegegeschwistern wird mir in der Zukunft helfen, auch mit schwierigen Menschen umzugehen. Ich habe gelernt, mit vielen Menschen eine Beziehung einzugehen. Mir gelingt es aber auch, mich von einem Menschen wieder zu lösen. Ich kann mich binden, ohne mich anzuketten. Für viele Menschen in meinem Alter bricht geradezu die Welt zusammen, wenn ein Freund oder eine Freundin in eine andere Stadt zieht. Das kann ich wesentlich leichter akzeptieren. Mir würd es deshalb auch selbst leichter fallen, in ein andere Stadt zu ziehen, weil ich weiß, dass ich auch dort Beziehungen aufbauen kann.

Ob ich selbst Pflegekinder nehmen würde, kann ich nicht sagen, das kommt stark auf den Partner an, mit dem ich dann zusammenlebe […].“ (Stead Miriam und Nathanael (2016): Abenteuer Pflegekind. Ratgeber für Pflegeeltern und solche, die es werden wollen; Langenlonsheim; S. 145-146)